Sneak Peak in „Dunkle Intrigen“
Wir haben es versprochen, also soll es auch so sein. Heute erscheint der zweite Teil der Serie „Playing with Love“. In „Dunkle Intrigen“ erzählen wir die Geschichte von Tamara, die sich im Berliner Umland, genau genommen im Dorf Grünow, eine Zukunft aufbauen will. Keine leichte Aufgabe für eine echte Berlinerin wie Tamara. Und dann scheint auch noch alles schief zu gehen…
“Jetzt leg doch mal das Handy weg, Tamara. Du hast ihn doch gerade erst gesehen.”
Meine Freundin Sasha verdreht die Augen. Ich höre ihre Stimme nur von Ferne und nippe gedankenverloren an meinem Aperol Spritz. Ich kann nicht aufhören, an Kais fordernde Lippen und seine Hände zu denken, wie sie noch vor wenigen Stunden über meinen Körper wanderten, und schaue verträumt durch das Restaurantfenster in den Himmel. Oder besser gesagt dorthin, wo der Himmel sein müsste, denn genau in diesem Moment rattert eine Straßenbahn laut bimmelnd und quietschend vor dem Fish Only vorbei und versperrt mir die Sicht. Der Krach holt mich an den Tisch mit meinen drei besten Freundinnen zurück.
Der Barbesitzer Sota bringt dreimal Sushi und Aperol Spritz sowie einmal die vegetarische 11 und einen alkoholfreien Sekt für mich, und kommentiert dies mit “Dreimal wie immer und einmal ohne Alkohol. Lange nicht da gewesen.” Für den immer sehr diskreten japanischen Restaurantbesitzer ist das schon eine ungewöhnlich persönliche Äußerung. Er schaut sogar ein bisschen besorgt, als würde er denken, wir hätten uns vielleicht gestritten. Wir kommen seit vielen Jahren einmal im Monat her und es ist das erste Mal, dass zwei Monate ohne Treffen vergangen sind.
“Wir mussten nur aussetzen, wir hatten keine Zeit”, erklärt Sasha und lächelt ihn freundlich an. “Viel zu tun.”
Bevor Sota antworten kann, piept mein Handy. Endlich.
“Na was schreibt er denn? Vermisst er dich schon?”
Bella schaut neugierig auf mein Telefon. Ich schnappe es mir und lege meine Hände in meinen Schoß. Es könnte schließlich etwas nicht ganz Jugendfreies sein.
Ich grinse. “Ach, ihr seid furchtbar. Prost!”
Vergnügt hebe ich mein Glas und wir stoßen an, während ich unter dem Tisch heimlich Kais Nachricht lese.
“Noch Lust auf einen Nachschlag im Arztzimmer?”
Liebend gern würde ich nach unserem Mädelsabend noch einen kleinen Abstecher ins Krankenhaus machen und mich ein weiteres Mal von Kai verführen lassen. Aber es wäre furchtbar unvernünftig. Denn bei dem einen Mal würde es bestimmt nicht bleiben. Und dann würde es wieder Mitternacht, bis ich die 40 Kilometer nach Grünow gefahren bin. Ich muss morgen um sechs Uhr aufstehen, mein erster Patient steht für sieben Uhr im Terminplan. Und so viele Patienten habe ich noch nicht, dass ich den vergraulen könnte. Ehrlich gesagt sind es sogar noch ziemlich wenige. Ich weiß, dass ich Geduld haben muss, gerade in kleineren Praxen auf dem Dorf dauert es, bis die Menschen vertrauen fassen. Mein ach so toller Plan, einfach die Patienten meiner Vorgängerin zu übernehmen, ist leider nicht aufgegangen.
Als hätte sie meine Gedanken gelesen, fragt Zoe: “Wie läuft es denn so mit deiner Praxis, Tami?”
“Och naja, ich habe jetzt etwa 20 Stammpatienten. Also es geht so.”
“Komm, immerhin. Vor drei Monaten, als wir hier saßen, waren es noch 15.”
“Ich brauche dringend einen Plan, sonst bin ich bald pleite.”
Eigentlich ist mir gerade weniger nach einem Plan für meine Praxis, als nach einem kleinen Besuch bei Kai im Krankenhaus.
Zoe lässt nicht locker. “Die haben eben Angst vor so einer Amazone wie dir. Aber wenn die Männer vom Dorf dir erst mal alle tief in die Augen geschaut haben, wirst du das Wartezimmer gar nicht mehr leer bekommen.” Sie kichert. “Für die Frauen musst du dir allerdings eine andere Strategie überlegen.”
Wieder einmal wünsche ich mir etwas von Zoes Leichtigkeit. Ich kann mir genau vorstellen, wie sie das alles anstellen würde und sehe sie direkt vor mir, wie sie unbeschwert durch das Dorf spazieren würde und schon nach wenigen Tagen viele neue Freunde hätte. Zoes offene Art hat ihr als Journalistin schon einige Erfolge eingefahren, sie schafft es immer, einen guten Draht zu den Menschen zu bekommen, und seien sie noch so verschroben. So bekommt sie immer wieder eine gute Story. Und letztlich ist es auch ihrer Menschenkenntnis zu verdanken, dass sie vor einem Jahr unseren früheren Ex-Boss und seine fiesen Machenschaften in ihrer Redaktion entlarvt hat.
“Na dann los. Macht mir mal nen Plan.”
Ich blicke auffordernd in die Runde und schiebe mir eine frittierte Rolle mit Avocado und Frischkäse in den Mund. Das Sushi hier ist einfach das beste in Berlin. Neben den Mädels vermisse ich diese Sushi-Mahlzeiten am meisten in meinem Brandenburger Dorf. Da gibt es höchstens Schnitzel und Broiler im Dorfkrug.
“Du musst Vertrauen aufbauen. Aber dazu müssen die Leute erst mal in die Praxis kommen. Biete was an. Kostenlosen Gesundheitscheck, Blutdruck messen, all sowas.” Sasha balanciert geschickt eine Sushi-Rolle auf den Stäbchen und lässt sie elegant in ihrem Mund verschwinden.
Gar nicht so schlecht, was meine Freundin da vorschlägt. Das ist typisch für sie. Sie entwirft ihr Leben, wie sie die Pläne für ihre Häuser anfertigt. Sei es die Beziehung mit Christopher oder ein Picknick am See, ich finde immer, dass sie durch und durch Architektin ist. Alles hat bei ihr ein Fundament.
Mein Handy vibriert wieder. Diesmal kommt ein Foto von Kai. Beziehungsweise von seinem Oberkörper. Der Anblick seiner leicht behaarten, gebräunten, überaus muskulösen Brust unter dem geöffneten weißen Kittel lässt mein Blut sofort rasen.
Bella schaut mich prüfend an. “Na, was schreibt der Herr Doktor? Wieder ein Notfall?”
Ich sage lieber nichts. Bella kann Kai nicht leiden, sie findet ihn schmierig und arrogant und meint, er würde mich schlecht behandeln und nur mit mir spielen. Vor ein paar Wochen waren Bella und ich im Kino, Kai wollte mich danach abholen. Es war schon fast Mitternacht, aber Kai tauchte nicht auf. Er ging auch nicht ans Telefon, später war es ausgeschaltet. Bella nahm mich mit zu ihr, weil ich ziemlich neben der Spur war. Wir tranken bis zum frühen Morgen Rotwein und sie hielt mich davon ab, ihn im Minutentakt anzurufen. Sie musste am Morgen sehr früh raus und hatte irgendeine wichtige Pressekonferenz, außerdem schrieb ihr Sohn eine Mathearbeit.
Von Kai habe ich danach erstmal nichts gehört. Fünf Tage später stand er bei mir mit einem Strauß Rosen vor der Tür. Er hatte einen Notfall an dem Abend und die ganze Nacht durchgearbeitet, sein Handy lag zu Hause. Bella glaubt die Geschichte bis heute nicht, und ich hatte auch erst meine Zweifel. Aber ich kann ihm einfach nicht widerstehen, meinem persönlichen McDreamy. Ich kann nicht von ihm lassen, auch wenn ich mir oft viel zu viele Gedanken mache. Ich weiß nie so richtig, woran ich bei ihm bin. In dem Moment, in dem ich glaube, wir sind ein richtiges Paar, scheint er mir schon wieder zu entgleiten. Und genau das gefällt mir dann irgendwie auch wieder. Manchmal glaube ich, dass ich mich nur auf Männer einlassen kann, die mich nicht zu nah an sich heranlassen.
Ich seufze. “Schon klar. Ihr haltet nichts von ihm. Aber er hat wirklich einen guten Kern, er ist nicht so ein Player wie ihr denkt.” Ich weiß nicht, ob ich gerade ihn oder mich selbst rechtfertige.
Bella nimmt meine Hand. “Süße, ich gönne dir das von Herzen. Ich möchte einfach nur nicht, dass du dich selbst bremst, dass er dir weiter in deinem neuen Leben herumpfuscht.”
Sie schaut mich aus sanften braunen Augen bittend an. Ich verstehe, dass sie es nur gut meint, aber meine Laune ist trotzdem verdorben. Unwillig trinke ich meinen alkoholfreien Sekt aus. Seit ich in Grünow lebe, muss ich auf mehr als einen Aperol Spritz verzichten, wenn ich noch fahren will. Das Thema Kai scheint die Stimmung am Tisch nicht gerade zu heben. Und meine auch nicht.
“Ich habe immer das Gefühl, dass ihr eine festgefahrene Meinung über Kai habt.” Ich merke genau, wie ich mich verrenne und wie kindisch ich mich verhalte, aber die Worte kommen einfach so aus mir heraus.
“Seid mir nicht böse, ich muss morgen früh raus.” Ich winke Sota, der sofort angelaufen kommt. “Alles in Ordnung bei euch?”
“Alles bestens!” Ich fummele 20 Euro aus meinem Portemonnaie und drücke sie dem Sushi-Bar-Besitzer in die Hand.